Mittwoch, 11. Juni 2014

Wunder gibt es immer wieder

Einführungsrede der Ausstellung: De Superiore Loco von Dr. Andrea Thurnwald, Museumsleiterin des Museum Kirche in Franken, Bad Windsheim am 8. Juni 2014

"(...) „Wunder gibt es immer wieder“, sagt man, und das gilt auch für die „Blauen Wunder“ des Künstlers Giselher Scheicher, wenn Sie mir dieses Wortspiel erlauben. Schon 2011 konnten wir in unserer Spitalkirche das „Opus A“ des Künstlers präsentieren, für das er mit dem Argula-von Grumbach_Preis ausgezeichnet wurde. 2013 schuf er zusammen mit Andrea Thema die Installation mit dem Titel „Dem Himmel so nah“ in unserem Kirchendach. Nunmehr sind die symbolmächtigen blauen Scheiben gleichsam in den Innenraum der Kirche herabgestiegen, wobei der Bezug  auf den Himmel oder das Transzendente als Konstante erkennbar wird.
Wir sehen das Werk an zentraler Stelle des Kirchenraums im liturgischen und architektonischen Sinn: In der Mitte des Chorraums unserer Spitalkirche zum Heiligen Geist, und direkt unter dem krönenden Schlussstein des Gewölbes, der nicht eigentlich ein Stein, sondern ein Ring ist. Solche Schlussringe gab es in spätmittelalterlichen Kirchen häufig, und sie werden entsprechend ihrer liturgischen Funktion als Heilig-Geist-Loch, Pfingstloch oder Himmelsloch bezeichnet. Die letztere Bezeichnung weist daraufhin, dass ihr Gebrauch nicht auf das Pfingstfest beschränkt war.
Dass das Chorgewölbe den Himmel symbolisiert wird schon in den Goldmosaiken der byzantinischen Kirche deutlich. Im 13. Jahrhundert finden wir in Kirchen der römisch-katholischen Welt Gewölbe, die mit blauer Farbe und goldenen Sternen für uns noch viel deutlicher den Himmel assoziieren. Der Himmel der sichtbaren Welt steht für das Reich des Ewigen. Berühmte Beispiele sind San Francesco in Assisi und die Sainte-Chapelle in Paris. Dass auch dies den Sehgewohnheiten und dem Bildverständnis der folgenden Jahrhunderte nicht mehr genügte, bemerkt Johannes Tripps in seinem Werk „Das handelnde Bildwerk in der Gotik“: So wurde das Verlangen immer stärker, „das Heilsgeschehen mittels Figuren und Andachtsbildern ins Leichtbegreifbare umzusetzen“. Damals entstanden die „Himmelslöcher“, auch das in unserer Kirche. „An hohen Feiertagen“, so Tripps, „stiegen die himmlischen Wesen hinab und hinauf, während auf dem Lettner das Heiltum zu sehen war und gesungen wurde. Noch weiter ließ sich die himmlische Pracht auf Erden nicht steigern. Die Gemeinde sieht des Paradieses Herrlichkeit bereits im Diesseits.“ In dieser Weise inszeniert wurde vor allem Mariä Himmelfahrt, Christi Himmelfahrt und natürlich die Ausgießung des Geistes an Pfingsten.
Vor allem auf dieses Geschehen des Herabkommens, Herabströmens scheint sich Scheicher mit dem Titel „De superiore loco“ zu beziehen. „De superiore loco“, deutsch „Vom höheren Ort herab“ kann im Doppelsinn des Räumlichen und des Geistigen oder Geistlichen verstanden werden, als das was oben, z. B. im Kirchengewölbe, ist und als das Höhere, das unser Wissen und Verstehen übertrifft, die Transzendenz, das Ewige.
Diese doppelte Vorstellung,  wie im deutschen Wort Himmel (anders als im Englischen, wo man Heaven von Sky sehr wohl trennen kann) begegnet uns auch im Pfingstgeschehen aus der Apostelgeschichte. Der Heilige Geist wird von Jesus Christus gesandt, und zwar aus seines Vaters Reich, wohin er „durch die Rechte Gottes erhöht ist“ (Apg. 2,33), aber räumlich wird die Ausgießung des Geistes auch erfahren als ein „Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes“ (Apg. 2,2).
Das Kommen des Geistes ist zuerst sinnliche Erfahrung durch die Elemente der bewegten Luft (hebr. ruah, griech. pneuma bedeuten „Wehen, „Hauch“) und des Feuers, das zu entflammen und im übertragenen Sinn zu begeistern vermag. Danach bricht der Geist aus dem Inneren der Jünger heraus im Reden in anderen Zungen und schließlich in der großen Pfingstpredigt des Petrus.
Auf das sinnlich Erfahrbare setzt dann auch die bildende Kunst im Lauf der Jahrhunderte: Statt des Windes verwendet sie meist die schwebende Taube (ausgehend von der Evangeliumsgeschichte der Taufe Jesu. Das Feuer stellt sie als Flämmchen auf den Häuptern der Jünger da. Früher hätten sie ein solches Bild des Pfingstgeschehens auch hier in der Kirche als Hauptaltar sehen können. Er kam 1949 in die Kirche von Ulsenheim, wo er heute noch steht.
Die gleichen Symbole wurden für die Inszenierungen im Kirchenraum verwendet. Aus dem Heilig-Geist-Loch entließ man eine lebende Taube in den Kirchenraum, oder man ließ eine hölzerne an einer Schnur herab. Es konnte aber auch brennendes Werg herab geworfen werden (freilich aus Sicherheitsgründen von Wasser gefolgt). Verstärkt wurde die Botschaft der Inszenierung manchmal noch durch das Herabkommen des „Himmelsbrotes“ in Gestalt eines Oblatenregens „de superiore loco“.
Diese Inszenierungen fanden in einer rationaleren und weniger in Schauspiele verliebten Zeit fast überall ihr Ende: bei den Evangelischen schon mit der Reformation, bei den Katholischen spätestens mit der Aufklärung.
Doch die Bemühungen der Kunst, mit Bildern und Symbolen die Sinne anzusprechen und das Unsagbare zu sagen, ging weiter.
Auch Giselher Scheichers Werk, das wir heute vorstellen, kann als ein Glied in dieser Kette verstanden werden. Mit der Anbringung am mittelalterlichen Heilig-Geist-Loch knüpft er an die liturgische Tradition an. Sein Medium ist nicht Luft oder Feuer, Taube oder Brot, sondern das transparente oder opake, plastisch belebte Blau der Rechtecke, die aus dem Himmelsloch herabzukommen scheinen. Sie verweisen, wie die früher hier gezeigten Installationen unverkennbar auf  Transzendentes, ohne den Betrachter festzulegen. Die zwölf Objekte, man kann an die Zahl der Apostel der Pfingstgeschichte denken, oder an die Heilige Zahl der Begegnung mit der Gottheit, steigen wie Fragmente des Himmels „vom höheren Ort“ herunter in den Kirchenraum. Drückt der Künstler hier in der ihm eigenen Bildsprache das Kommen des Geistes aus?
Zugleich drängt sich das Bild der Leiter auf. Lädt sie unsere Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte ein, hinaufzusteigen oder stellt sie wie in Jakobs Traum im Alten Testament einen Brückenschlag zwischen Himmel und Erde her? Die Sprache der Kunst ist vieldeutig und vielstimmig. Jeder von uns kann seine eigenen Erfahrungen und Assoziationen einbringen.
Dazu lädt diese Installation uns hier und heute und die Besucher unseres Museums Kirche in Franken in den nächsten Wochen ein. Für manche wird sie vor allem Überraschung, für andere Herausforderung oder Inspiration bedeuten. Dem Künstler haben wir herzlich dafür zu danken, dass er eine solche Bewegung in unser altes Gotteshaus bringt. Möge das Werk für viele Besucher ein „Blaues Wunder“ im besten Sinne sein! (...)"

Montag, 9. Juni 2014

De Superiore Loco - Video


Kunst-Installation im Museum Kirche in Franken, Bad Windsheim
Kunst unterm Kirchendach.
Eine Kunstinstallation zu Pfingsten von Giselher Scheicher.
Von einem höheren Ort kommt durch das Heilig-Geist-Loch der Heilige Geist in Form von 12 blauen, quadratischen Scheiben zu den 12 Aposteln nieder.




Mittwoch, 4. Juni 2014

De superiore loco

Einladung zu der Ausstellung am Pfingstsonntag,11.30h in Kirche Museum Franken in Bad Windsheim, Freilandmuseum