Das Blau
entwickelt durch seine Arbeitsweise noch mehr Geheimnis als es
ohnehin schon in sich trägt. Blaukontraste treffen auf
Flächenkontraste und Formkontraste. Ultramarinpigment und
Cyanpigment gehen aufeinander los oder kommen ins Gespräch. Das Blau
mal dunkel glänzend sich in die Tiefe des Raumes zurückziehend und
dann wieder stumpf schimmernd ultramarinblau den Betrachtenden
entgegenspringend. Unterschiedliche Bild-Formate und Bild-Formen
treffen aufeinander, ergänzen sich. Giselher Scheicher hat einen
ganzen blauen Kosmos und so etwas wie ein ganzes blaues
Formenalphabet geschaffen. Blau ist die Farbe der emotionalen Tiefe
und Weite, der Angst mich zu verlieren und der unendlichen Freiheit,
die Farbe der kühlen Vernunft und der rationalen Schärfe, die Farbe
der Treue und die Farbe der Sehnsucht zugleich. „Ins Blaue hinein“
steht für unendliche Möglichkeiten und „das Blaue vom Himmel“
für alle Enttäuschungen. Der Himmel kommt in Scheichers Bildern am
Boden an. Auf Wunsch des Künstlers verhältnismäßig tief gehängt
kommt der Himmel aber nicht im fröhlichen Sommerhimmelblau am Boden
an. Hier kämpft Blau gegen Blau. Hier kämpfen alle Möglichkeiten
und alle Enttäuschungen, die gefährliche Tiefe und die weite
Freiheit, Gefühl und Vernunft miteinander. Aber im Kampf finden sie
zueinander, gehen ineinander über, bilden Kompositionen, fast
Lebensgeschichten, Lebensformen aus Einzelteilen sich
zusammensetzend. Die Versöhnung eines ständigen Kampfes kündigt
sich an. Blau ist nicht zuletzt auch die Farbe der Transzendenz, der
Mystik. Scheichers Bilder bleiben für alle Deutungen offen. Er
provoziert Assoziationen, ohne sie festzuschreiben oder zu
verallgemeinern oder zu verabsolutieren.
©2007
Daniel Szemerédy,
Dekanatsbeauftragter für Gegenwartskunst